BILINGUALITÄT

Bilingualität (Bilingualismus), Vortrag von António Justo im Düsseldorf am 4.11.06

Liebe Anwesende

Liebe Vertreter von Erziehung, Kirchen, Gewerkschaft und Politik

Ich freue mich bei euch zu sein und als Gast bei der Deutsch-brasilianischen Gesellschaft zu sein.

Geehrte Frau Dr. Stella-Maris und Frau Dr. Andrea Dahme-Zachos, vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre Bemühungen.

Einleitung:

In meinem Vortrag stütze ich mich auf die eigene Erfahrung und auf wissenschaftliche Ergebnisse über Bilingualität. Ich konzipierte ihn als Handlungsanleitung und Anregung für ein gemischtes Publikum.

Die Bedeutung der Bilingualität in einer zunehmend interkulturellen Gesellschaft wird besonders den Schulen sowie Migranten und kulturell gemischten Ehepaaren immer bewusster.

„Meine Heimat ist meine Sprache“ sagte der Dichter Fernando Pessoa, der selbst bilingual war. Man könnte dies noch konkretisieren: meine Heimat sind meine Familie, meine Freunde, auch wenn man ein Dissident bleibt mitten in der Welt…

Persönliches: Ich bin monolingual als Portugiesisch-Sprechender aufgewachsen. Danach lernte ich 7 Sprachen dazu. Ich erwarb die Diplome der Philosophie in Lissabon, der Theologie in Deutschland und der Erziehungswissenschaft in Portugal. Ich begegnete mehreren Kulturen und tauchte in verschiedene Welten ein (Familie, in mehreren Gegenden Portugals, Frankreich, Deutschland, Jugendliche, Politik, Religion, Ausländer, Frau und Kinder). Seit fast 27 Jahren bin ich Lehrer für muttersprachlichen Unterricht in Portugiesisch und unterrichte zurzeit portugiesisch an de Uni.

Meine Frau Carola und ich haben uns von Anfang an bemüht, eine Grundlage für Bilingualität zu schaffen. Zu Hause sprachen wir Deutsch miteinander, ich aber mit den Kindern Portugiesisch. Sie antworteten in den ersten Jahren auch auf Portugiesisch und später antworteten sie auf Deutsch. Dann gingen sie auch zum muttersprachlichen Unterricht. Heute beherrschen sie die portugiesische Sprache in Wort und Schrift. In den Ferien in Portugal wird die Schwachsprache für sie von einer Minderheitensprache zur Mehrheitsprache. Der Wechsel erfolgt problemlos. Wir alle sind zufrieden damit. Vielleicht würde unser jüngster Sohn David lieber vom muttersprachlichen Unterricht in Portugiesisch befreit werden, aber, weil das Leben auch Pflichten und Disziplin beinhaltet, macht er kein Aufstand, wenn er in die „Portugiesische Schule“ geht.

Liebe Anwesende, die Bilingualen sind in einer privilegierten Lage und haben eine große Verantwortung. Die Aufgabe ist nicht nur, unterzutauchen in einer anderen Sprache, sondern in ein Bewusstsein, in einen Ozean der Kulturen, der die andere Kultur erschließt und dabei zu einer neuen Dimension des Bewusstseins hinführt, d. h. von einem perspektivischen zu einem aperspektivischen Weltbild. In diesem Sinn empfehle ich Ihnen, sich mit Fernando Pessoa zu beschäftigen, der ein typisches Beispiel eines bilingualen Talents ist. (Beckett, Ionesco, Canetti, Chamisso, Conrad). Fernando Pessoa: (Zweisprachig: Portugiesisch-Deutsch): „Alberto Caeiro Dichtungen, Ricardo Reis Oden“ bei Fischer. Fernando Pessdoa,(Zweisprschig: Portugiesisch-Deutsch, Englisch-Deutsch): „Esoterische Gedichte, Mensagem, Englische Gedichte“, Fischer. Fernando Pessoa, / Álvaro Campos, Poesias*Gedichte, Ammann Verlag

Motivation: Für Kinder, die in unserer immer stärker globalisierten Welt mehrsprachig aufwachsen, bietet z. B. die EU ein enormes Potential, besonders auf dem Gebiet der Kultur und der Wirtschaft. Ihre Förderung durch Staat und Gesellschaft sollte selbstverständlich sein. Die riesige Nation Brasilien bietet unendliche Möglichkeiten, auch für diejenigen, die die portugiesische Sprache lernen, besonders für Bilinguale. Dabei nicht zu vergessen die Gemeinschaft der portugiesisch sprechenden Geschwisterländer. Alle diese Gebiete sind menschlich, wirtschaftlich und kulturell eine Fundgrube. Wie damals die Portugiesen, so brauchen wir auch heute neue Entdecker, Entdecker und Förderer des Geistes. Damals sagten die Portugiesen: Wir haben neue Welten der Welt gegeben. Heute wäre es sinnvoll für uns bilinguale Familien zu sagen „ wir geben neue Menschen der Welt“. Machen wir von der Bilingualität eine Berufung. Ja, wir brauchen eine neue Welt mit einem neuen Bewusstsein und damit eine neue Ausdrucksform von Sprache… Die Kinder sind noch nicht verdorben.

Ein Medium und ein Instrument zu einem neuen Bewusstsein ist die Sprache.

Die zweisprachige Erziehung ist nicht einfach, wenn man bedenkt, dass sie ein Entgegenwirken gegen die Entropie, d. h. die Trägheitskraft bedeutet; das Kind fällt dann der Bequemlichkeit der Eltern zum Opfer. Die Bilingualität ist nicht selbstverständlich in einem einsprachigen Milieu, das Resistenz und Vorbehalte hat gegenüber den Mehrsprachigen.

Die Bilingualität in der Wissenschaft:

In der Fachliteratur benutzen unterschiedliche Forschungsansätze verschiedene Kriterien, um zu definieren, was Bilingualität ist, daher gibt es keine verbindliche Definition von Bilingualität. Einige unterscheiden zwischen “natürlichem Bilingualismus” (von Anfang an), dem “Additiven Bilingualismus ” (späterer Erwerb) und dem “Subtraktiven Bilingualismus “(Mischform der Zweisprachigkeit).

Man spricht auch von simultanem Bilingualismus (Frühe Zweisprachigkeit: 2 Muttersprachen, vgl. Wilhelm Grießhaber, 1996) wenn der Erwerb von zwei Sprachen vor dem 3. Lebensjahr stattfindet. Sukzessiver Bilingualismus ist der Erwerb einer zweiten Sprache nach dem 3. Lebensjahr (Oft bei türkischen Kindern, die dann im Kindergarten besondere Strategien brauchen). Verteidiger dieser Praxis führen das Argument des negativen Einflusses auf die kognitive und sprachliche Entwicklung an, die zu Semilingualismus führen würde. Der getrennte Spracherwerb, also erst nach dem 3. Lebensjahr hat aber nicht die Früchte getragen, die die sukzessiven Bilingualisten sich erhofft haben.

Die Wissenschaft kann nicht auf alle Probleme eine einhellige Antwort geben und lässt viele Wege offen, manchmal ist sie sogar widersprüchlich. Und das ist gut so. Das Leben ist Problemlösung. Das Gelingen von bilingualem Spracherwerb hängt von vielen Faktoren ab: Nach Klein (1985) hängt dies vom Sprachvermögen ab (Artikulation, Gedächtnis, Kontext Wissen), vom Zugang (Fähigkeit zur Rezeption von Sprache, und Möglichkeit zum Sprachkontakt) und vom Antrieb (Bedürfnis nach Kommunikation und sozialer Integration, Einstellung zur Sprache und ihrem Sprechen). Natürlich sind dazu wichtige Faktoren auch die Einstellung, Motivation, und das Sozialprestige beider Sprachen.

Es wird erkannt, dass die kognitive und sensomotorische sowie soziale Entwicklung des Kindes zu einem bestimmten Grad und Zeitpunkt Schrittmacher der Sprachentwicklung ist (Katharina Meng 1994). William P.Preyer sagt dass die erste feste Verknüpfung einer Vorstellung mit einer Silbe oder einem wortartigen Silbenkomplex ausschließlich durch Nachahmung zustande kommt. Der Säugling versteht Gesprochenes viel früher als er selbst die gehörten Laute, Silben nachahmend hervorbringen kann.

K. Bühlers Sprachtheorie ist ein wichtiger Wegweiser für die Handlungstheoretische Linguistik (Psycholinguistik) bezüglich des Verhältnisses von Sprache und Denken. Nach Piaget ist die kindliche Sprache bis 7 Jahre überwiegend egozentrisch. (Wiederholung, Monolog und kollektiver Monolog); die Entwicklung verläuft von der autistischen über die egozentrische zur sozialisierten Sprache und entsprechend vom Autistischen über das Egozentrische zum logischen Denken. Leontjew, Levina, Declacroix erheben Widerspruch dagegen.

Die behavioristische Theorie sieht Spracherwerb als Konditionierung des Kindes durch die Außenwelt nach dem “Stymulus-Response-Reinforcement-Schema (Pavlov). Das Kind hat nur eine passive Rolle (Hans Hörmann1991). Dagegen spricht: das Kind wird unsystematisch und unregelmässig für die richtige Äußerung belohnt.

Trotz umfangreicher Literatur über Erstspracherwerb und Bilingualismus im wissenschaftlichen Kontext gibt es auf diesem Gebiet keine anerkannte Erstspracherwerbtheorie weder in monolingualem noch in bilingualem Bereich, meint auch Edgardis Garlin. Der Forschungsgegenstand setzt Interdisziplinarität in Linguistik, Psychologie, Biologie, Anthropologie, Ethnologie, Soziologie… voraus und eine neue Disziplin: Interkulturelle Kommunikation. Es gibt positive und negative (Vor) Urteile über Bilingualität. Die Fachliteratur von Kanada, Amerika und Belgien beurteilen bilinguale Erziehung positiv. In der deutschen Fachliteratur bis 1950 war das Urteil eher negativ (Edgardis Garlin, Bilingualer Erstspracherwerb, 2000)

Die Psycholinguistik aber erkennt die menschliche Sprachfähigkeit als Anlage zur Mehrsprachigkeit, d.h. die Befähigung Sprachen simultan zu erwerben. Man geht davon aus, dass es im menschlichen Gehirn einen verankerten angeborenen Spracherwerbmechanismus (LDA) gibt. In Kontakt mit der Sprache wird dieser automatisch aktiviert, so dass das Kind automatisch sprechen lernt. Schon 1935 sprach Bloomfeld von Bilingualität im Fall, dass beide Sprachen wie eine Muttersprache beherrscht werden, und, dass das Kind von Geburt an mit beiden Sprachen aufwächst. Man geht davon aus, dass bis zum Alter von 7 Jahren das kindliche Gehirn sämtliche Sprachinformationen – auch alle fremdsprachlichen – einfach und leicht in der Region abspeichert, in der auch die Muttersprache liegt. Erst danach “schaltet” das Gehirn um, und man muss Sprachen wie alle anderen Dinge erlernen, besonders durch “pauken”. Das Alter des Kindes beeinflusst die Art, wie die Sprache erlernt wird, nicht aber die Leichtigkeit, mit der sie erworben wird, meinen einige wie Jochen Rehbein, (1987,“Sprachloyalität in BRD“). Andere sagen: “Wenn der natürliche Zweitspracherwerb vor dem 11. Lebensjahr abgeschlossen ist, verläuft er besonders erfolgreich“. Die Phonetik wird am besten internalisiert bis zum 6. Lebensjahr.

Gegen diese Auffassung sind die, die eine nativistisch-rationalistische Konzeption zugrunde legen, die mit „Sätzen“ über Einzelbeispiele begründen versuchen (Chomsky 1986, Clahsen 1988).

Einige stellen die Mehrsprachigkeit als Problemursache für:

Unvollständiges Erlernen: Mangel bei Schulerfolg bei bilingualen Kindern, Semilingualität ohne Muttersprache

Überforderung und psychische Folgen: Auffälligkeiten in der Entwicklung (Stottern verzögerte Sprachentwicklung, neigen zur Schizophrenie, Entwurzelung…

Oft wird die Bilingualität verantwortlich gemacht für Tatbestände (positive wie negative), die damit nichts zu tun haben. Oft steht auf der einen Seite hinter einer negativen Bewertung eine völkisch-nationalistische Ideologie (eine Sprache, eine Kultur, eine Nation) und auf der andere Seite, bei den Anhängern einer multikulturellen Gesellschaft, eine positive Einschätzung, die die positiven Aspekte (Vorteile) hervorhebt. Es gibt handfeste Interessen für die eine wie für die andere Theorie (Vgl. Sprachenstreit in Belgien, Südtirol, Elsass…).

Was man kontert gegen diese Forscher, ist, dass sie ökonomische und soziale Rahmenbedingungen und Zusammenhänge nicht berücksichtigen. Die ausländischen Haushalte gehören zu 78% der Arbeiterschicht an (im Vergleich: 38% Deutsche sind Arbeiter!) Sie machen ein Drittel aller Kinder aus, die in Deutschland staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) bekommen.

Die differenziertere Forschung kommt zu anderen Ergebnissen:

Die neue Forschung widerlegt die These, dass Zweisprachigkeit eine Quelle kognitiver Retardierung sei. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Bilingualität kognitive und sprachliche Entwicklung positiv beeinflusst (Susanne Mahlstedt , „ Zweispracherziehung in gemischsprachigen Familien “ , 1996).

Die Beeinflussung der Bilingualität auf die Entwicklung hängt natürlich von verschiedenen Rahmenbedingungen ab. Nach Cummins treten positive Begleiterscheinungen auf, wenn beide Sprachen sehr gut entwickelt sind.

Kinder, die frühzeitig bilingual aufwachsen, können die Sprachen gut trennen und parallel Sprachkenntnisse entwickeln. Entscheidend ist die erworbene grammatische Kompetenz in jeder Sprache. Die Fähigkeiten drücken sich vielfältig aus und verändern sich im Lauf des Lebens. Die bilinguale Erziehung eröffnet Möglichkeiten nicht nur in der Entwicklung, sondern auch für Befähigungen, die später sehr schwer zu erreichen wären.

Der Alltag der Sprache:

Wir alle benutzen die Sprache mehr oder weniger bewusst… Sie sagt auch viel über uns (Einige nuscheln leise, als ob sie damit um Aufmerksamkeiten betteln wollten, andern tönen in die Welt wie Glocken auf einem hohen Turm). Durch die Sprache wurden wir Menschen. Das sollte uns aber von spontanem Reden nicht abbringen. Wir verändern uns mit der Sprache. Da werden Gefühle und Gedanken bearbeitet.

Wann ist jemand bilingual?

Wie dargelegt, gibt es ein Problem der Definition. Man kann sich einigen auf Bilingualität als die Fähigkeit, sich in allen Lebenssituationen mündlich oder schriftlich fließend in zwei Sprachen ausdrücken und verständigen zu können. (Für Diebold, A.R 1964 und Pohl, J. 1965 ist bilingual derjenige, der die andere Sprache versteht).

Selten kommt es vor, dass man zwei Sprachen in allen Bereichen gleich stark in Wort und Schrift beherrscht. Wichtig ist das Bewusstsein der Bilingualität, und das unabhängig von der Definition von Bilingualität und wie man den Alltag organisiert. Eine lockere und ungezwungene Sprachloyalität führt nicht zu Zwangsvorstellungen wie Nationalismus.

Normalerweise gibt es bei Bilingualen eine starke und eine schwache Sprache.

Auf dem Lebensweg hat jeder sein Tempo und sein Fahrzeug, einige gehen, andere rennen, andere fahren, andere fliegen… Beachtenswerter als das Ziel ist der Weg und die Umstände beim Spracherwerb wie z. B. die familiäre Atmosphäre (Resonanz des Gesprochenen in der Familie, Freundeskreis… Ferien in dem Land zu verbringen in Kontakt mit Gleichaltrigen und Spaß haben… Familiäre Kontakte wo beide was davon haben. Dann gewinnt auch die Sprache an Sinn und Bedeutung), Umfeld (das Prestige der Englischen Musik kann ein wenig kontrabalanciert werden durch Bücher, CDs in der Sprache, deren Land weit weg ist), Bewusstsein (Einstellungen und Bewunderung für Bilingualität, nicht sich auf den Akzent festnageln, wichtig sind die Erlebnisse in der Sprache).

Rolle der Familie:

In Afrika wird gesagt: “Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen”.

Bikulturelle Familien müssten sich rechtzeitig Gedanken machen über den Erwerb der Sprache im frühen Kindesalter…

Bilingualität entwickelt sich umso natürlicher, je früher die entsprechende Erziehung beginnt: Sie wird sofort als Kommunikationsmittel erlebt und nicht als Lerninhalt (Jean Petit). Die beiden Sprachen sollten systematisch von zwei verschiedenen Erziehern oder Lehrern angeboten werden. Zur Orientierung gilt das Partnerprinzip: jeder Partner spricht in seiner Muttersprache mit dem Kind. Die Untersuchungen zeigen, dass das Prinzip eine Sprache eine Person bzw. Familiensprache – Umgebungssprache am besten die Bilingualität fördert.

Im Moment höchster Aufregung dominiert natürlich die starke Sprache als Sprache des Gefühls.

Jede Familie hat einen anderen Lebensrhythmus mit mehr oder weniger Kontakt und Aussprache: je nach Berufsleben und Charakter… Am Abend kann man aber vieles nachholen (sprechen, lesen, beten) sowie in der gemeinsamen Planung des Wochenendes. Wichtig ist die Liebe des Zusammenseins, die Nähe des Kontakts. Ohne emotionale und sprachliche Zuwendung wird der Spracherwerb erschwert.

Voraussetzung ist auch die Wertschätzung beider Partner für die jeweils andere Kultur. Das setzt einen Austausch- und Lernprozess auf der Basis von Toleranz und Pluralität voraus. Das Schwierigste dabei sind die Vorurteile: unpraktisch, unmittelbares Nützlichkeitsdenken, wir leben hier, später, usw.….

Bei den Partnern ist zu beachten, dass kulturelle Widersprüche angenommen werden, damit die Sprachbremse nicht immer wieder einsetzt. Die Bewunderung und die Begeisterung für die Sprachen hängen sehr zusammen mit der Persönlichkeit der Ehepartner und dem Zusammenhalt. Eine Sprache zum Lieben und die andere zum Schimpfen wären fatal.

Natürlich kann man die Sprache später lernen. Man nimmt das Auto des Sprachkurses und kommt auch zum Ziel. Sicher aber ohne die Landschaft, die kulturelle Seele, erfahren zu haben…

Spracherziehungsmethode beim Bilingualitätserwerb und Typen:

Ein methodisches Prinzip des Bilingualitätserwerbs, nach Kielhofer und Jonekeit (1983) ist die Funktionale Sprachtrennung d.h. je eine Sprache ist an eine Person gebunden, oder aber an Familie einerseits und Schule andererseits…

  • Eine Person – eine Sprache (Eine davon Deutsch). Jeder spricht mit dem Kind seine Muttersprache. Das fördert die Strukturierung der phonetischen Sensibilität des Kindes. Wichtig ist aber, dass gern miteinander gesprochen wird ohne Schranken, die jemanden ausschließen. Hier liegen auch die Chance der Bewahrung der eigenen Identität und die Möglichkeit für den Partner zum Wiedereintauchen und zur Belebung der eigenen Kindheit (Kinderlieder, Spiele). Mutter- und Vatersprachen werden zur Muttersprache, besonders wichtig für bikulturelle Ehen. Muttersprache ist dann der Ort, wo man fühlt, wo man träumt, denkt, lebt. Die Muttersprache ist Sprache des Herzens.

Der Funktionale Sprachgebrauch und Sprachtrennung sind direkt, brauchen keine Übersetzung und vermeiden die Interferenz.

*Ein Elternteil ist deutschsprachig, einer nicht. Familiensprache ist Nichtumgebungssprache. Diese macht Druck.

*Zu Hause kein Deutsch

*Zwei Sprachen zu Hause, Deutsch draußen

*Fremdsprache

*Mix

*Zweisprachen in Kita oder Schule

*Andere

Wie benutzen die Menschen ihre Sprache?

Familiensprache – Umgebungssprache:

Wichtig ist die Sprache zu benutzen, die man fehlerfrei spricht, damit die Unsicherheit nicht weiter gegeben wird. Wo zu Hause nur eine Sprache gesprochen wird, wäre es dann besonders angebracht, Freunde der Umgebung regelmäßig einzubeziehen. Die Kinder kommen dann in Kontakt mit beiden Sprachen in unterschiedlichen Funktionen und Rollen.

Familiensprache und Schulsprache sind oft in Konkurrenz. Die familiäre Sprache bleibt beschränkt, weil sie die Anregung der Schule nicht bekommt. Wichtig wäre es, Familiensprache zu Hause und Umgebungssprache draußen zu sprechen.

In einer Fremdsprache erziehen?

Das Problem liegt in der genauen Beherrschung der Fremdsprache. Ein Kriterium kann sein, ob man in der Sprache denkt (Herzenssprache)? Andernfalls würden die Kinder die Fehler modellhaft internalisieren, was ein Hindernis für später darstellen würde….

Drei Sprachen: Jeder der Eltern spricht seine Sprache und draußen wird Deutsch gesprochen. 3 Sprachen sprechen ist keine Überforderung. Überfordert sind die Einsprachigen. Zu beachten wäre, dass eine einsprachige Unterhaltung geführt werden kann.

Strategien:

Rollenspiele oder Handpuppen als Freunde, die eine andere Sprache sprechen. Prinzip: eine Person eine Sprache (nach der Theorie von Grammont). Das kann angebracht werden bei Trennung und längeren Abwesenheit eines Partners. Eine Puppe kann für eine Person stehen. Räume für eine Kultur kann die tägliche Gute-Nacht-Geschichte sein; Mahlzeiten; Spiele.

Die „Wie bitte“ Strategie:

Papa will, dass sein Sohn mit ihm Portugiesisch spricht:

David: Papa, Kann ich mit meinen Freud spielen gehen?

– Como?

– Darf ich mit meinen Freud draußen spielen?

-Que queres?

-Quero ir brincar com o meu amigo.

-. Sim, claro que podes.

Como?, wie, bitte? passt für beides. Oder „Ich verstehe nicht“. Ein anderer Ausweg ist das Übersetzen, wenn die Kinder etwas von uns wollen! Wie wenn man das Zauberwort Bitte verlangt. Klare Aufforderungen und nicht Spielchen oder ein zu starkes Entgegenkommens, das mehr Schwachheit ausdrückt als einen bewussten Wunsch zu vermitteln. Wichtig ist, dass die Kinder nicht schüchtern oder unsicher werden.

Schwierige Situationen:

Wo Dritte anwesend sind, ist es ungewöhnlich, dass man mit jemandem in einer anderen Sprache spricht, weil der Dritte das als Unhöflichkeit begreift. Das wird den Dritten vorher erklärt und Ausnahmen werden zugelassen.

Entwicklung beim Spracherwerb -Lernprozess des Kindes:

Kinder lernen mit den Sinnen. Jedes Kind hat sein Schritttempo. Verstehen und Reden sind ziemlich versetzte Vorgänge. Mit zwei Jahren können sie schon viel verstehen.

Sie fangen mit Lauten an, dann mit Silben „da-da“ „ma-ma“. Im 2. Lebensjahr kann das Kind schon Wörter sagen und unterscheidet, dass Mutter und Vater verschiedene Sprachen sprechen. Sie sagen oft das Ende der Wörter. Die Kinder vergessen so schnell wie sie lernen.

Zwischen 18 und 24 Monaten werden schon zwei Wörter, die interpretationsbedürftig sind gesagt “Mama Katze“. Mit zweieinhalb Jahre werden einfache Sätze gebildet. Eine Entwicklung in den Etappen beim Erwerb der Sprache bemerkt man oft, wenn das Kind eine Sprachregel anwendet in dem Moment, wo eine grammatikalische Ausnahme gibt. Z. B.: (fazi/fiz), Gemesst für gemessen, getrinkt für getrunken. In dieser Phase sind die Kinder selbst aktiv schöpferisch: wagen den Sprung vom „nachsprechen“ zum „selbstformen“. Das Schöpferische braucht nicht gleich korrigiert werden.

Mit 3 funktioniert das Umschalten von einer Sprache zur anderen perfekt, und es kommt zum Bilden komplexer Sätze.

Die Bildung von Fragen hat eine bestimmte Ordnung gemäß der Entwicklung des Denkens. Die Reihenfolge der Fragesätze ist: Wo? Was? Wer? Wie? Warum?

Die Denkstrukturen werden je nach Alter gebildet (7, 8, 12 Jahre).

Es gibt zwei Lerntypen von Kindern: Der Analytische beginnt betont mit Bausteinen d.h. Namen. Der Ganzheitliche, d.h.. der sich am Ganzen orientiert, fängt an mit Wörtern wie „auf“, „ab“, „hoch“, „mehr“; mit zwei drückt er Gefühle aus wie: „Lili böse“.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass bilinguale Kinder nicht später als monolinguale Kinder sprechen lernen. In der Forschung macht bei Bilingualen häufig den Fehler, nur eine Sprache zu berücksichtigen bei der Beurteilung der Sprachfähigkeit des Kindes. Damit das Ergebnis jedoch aussagekräftig werden, müssten beide Sprachen in die Beurteilung einbezogen werden.

Notwendigkeit von Einbeziehung von Fachleuten:

Einige Kinder haben Probleme beim Hören. Kinderärzte und Ohrenärzte können helfen. Logopäden / innen lösen Sprachknoten auf bzw. helfen, die Buchstabenlaute genau zu differenzieren und auszusprechen…

Im Internet unter www.tpsls.on.ca oder Anregungen des Buches „Mit 2 Sprachen groß werden“ von Elke Montanari. (Verteilung von Photokopien) Das stellt ein Hilfe zur Orientierung ob einen Kind zum Hals-Nasen-Ohrenarzt gehen soll oder nicht.

Wie sprechen wir mit den Babys?

Unbewusst machen wir es richtig, wenn wir mit Babys anders sprechen. Wir reden höher und langsam, mit Kurzsätzen und mit übertriebener Mimik und Sprachmelodie. Die Wörter kauen (mit Zunge und Lippen verdeutlichen). So werden die Laute klarer. Das Gefühl leitet uns richtig. Das ist in der ganzen Welt so. Die Babys nehmen hohe Stimmen wahr. Mit vier – fünf Jahren hören Kinder automatisch damit auf.

Ermutigung für die Sprache – Lernmotivation:

In der Spracherziehung sind eine bewusste Beziehung und der Sprachumgang wichtig für die Lernmotivation:

– Zuhören und ausreden lassen: Gefühl, Blickkontakt

– Ermutigen und Raum geben

– Hinwendung und Anschauen: den Mund bewegen.

– Sich zurücknehmen

– Loben

– Den Worten Taten folgen lassen: die Anstrengung belohnen

Anstatt zu korrigieren die Technik des verbessernden Wiederholens benutzen.

Eine andere Technik ist die Anwendung von W-Fragen: Wohin gehst Du? (Pause) nach….oder…. Oder-Fragen geben dem Kind mehr Stütze.

Anstatt etwas (Wasser) dem Kind ohne Wörter zu reichen, gibt man es ihm und sagt dabei: Möchtest du das Wasser?

Die Gefühle beteiligen: Freude, Beeindruckt werden, Spaß haben. Mit den Sinnen bei der Sache sein und sich fragen: „was tut er am liebsten?“ und das mit ihm mitmachen.

Ungünstig ist es, wenn die Sprache zum Selbstzweck wird. Hier hilft auch sehr das Vorhandensein von Vorbildern in den Sprachen: ein Lehrer, Spielgefährten, ein Popstar, usw. Das Kind muss am Spracherwerb einen Sinn sehen.

Spielen und gemeinsam Bücher anschauen fördert sehr die Sprachkompetenz der Kinder. Bücher füllen auch Wissenslücken und fördern den Wortschatz.

Spiele: Handpuppen, Lieder, Kim-Spiele: Erraten was sie nicht sehen durch Riechen, Fühlen, Schmecken; Rollenspiele: Markt, Post, Arzt…; Kochen, Bucher; Theater spielen: Kasper, Puppentheater.

Lesen und Schreiben können gleichzeitig oder nacheinander erfolgen. Zuerst müssen die Unterschiede klar bewusst gemacht werden. Ähnlichkeiten zwischen zwei Sprachen erschweren oft den Spracherwerb. Meiner Erfahrung nach ist es besser, lesen und schreiben in der Umgebungsprache (Schulsprache) zu lernen. Simultan lesen und schreiben lernen in der starken und in der Schwachsprache, stören sich gegenseitig wegen der noch instabilen orthografischen Systeme beider Sprachen. Daher sollte die Alphabetisierung zunächst in Deutsch stattfinden und nur mit der Verzögerung von einem oder eineinhalb Jahren sollte man mit der Zweitsprache anfangen. Ich habe das System gleichzeitiger und verzögerter Alphabetisierung in Portugiesisch während 30 Jahren probiert und fand die zweite Vorgehensweise effizienter.

Wörter werden auch als Bild wahrgenommen wie die Lernforschung feststellte. Vorsicht mit dem verbessern!

Wie lernt das Kind gut Deutsch?

Die Sprache ist die Grundvoraussetzung, um aktiv am Leben teilzunehmen. Was man in einer Sprache lernt, kann der anderen nützlich sein. Wichtig ist schon zu Hause kein schlechtes Deutsch bzw. schlecht gesprochene Herkunftssprache zu lernen.

Wenn kein Deutsch zu Hause gesprochen wird, dann sind Spielkameraden unersetzlich. Die Kinderkrippe wird für diese Gruppe von Kindern besonders wichtig und dann der Kindergarten. Es gibt viele Modelle von Kindergärten, was es nötig macht, sich frühzeitig mit diesen Modellen zu beschäftigen. Das gilt auch für Tagesmütter. In Gruppen mit weniger Kindern wird mehr gesprochen. Als Ersatz oder Zusatz könnte ab dem dritten Lebensjahr eine Spielstunde pro Woche mit einem Kind, das mindestens 14 Jahre alt ist, einzuplanen…Es muss Hochdeutsch gesprochen werden. Auch eine Leihoma kann eine Fundgrube sein. Das Kind muss ganze Sätze auf Deutsch sagen.

Die Eltern sollen bei der Sprache, die sie beherrschen bleiben.

Hausaufgaben:

In der Unterrichtssprache. Es wäre doppelt gelernt, wenn man die Kinder dazu gewinnen könnte, die Hausaufgaben zweisprachig zu machen, wobei sie begleitet werden.

Zu Hause eine zweisprachige Umgebung schaffen mit portugiesischen Büchern, Fernsehen, Freunde…ein Lexikon

Starke und schwache Sprache: Die Kinder lernen, was sie benutzen, was sie brauchen und was sie berühren. Zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr hat die Schwachsprache einen sehr schweren Stand, weil die Freunde wichtiger als die Mutter werden (oft Sprachverweigerung); hier hilft die Wahl einer bilingualen Schule, der Muttersprachliche Unterricht und die Möglichkeit, oft Urlaub im Land der Schwachsprache zu machen. Ein anderes Kapitel wäre das Problem der Gettogruppen.

Bei Bilingualen gibt es unterschiedliche Stärken und Schwächen in beiden Sprachen. Zählen und Rechnen bis 10 in beiden Sprachen stellt kein Problem dar. Ab dem Kindergarten wird das Deutsche die Zählsprache. Dann entstehen Schwierigkeiten in der Schwachsprache, ab der Zahl 10, weil bestimmte Mentaloperationen an die Schul- und Zählsprache Deutsch gebunden bleiben. Deswegen empfehlen viele Wissenschaftler (Bernd Kielhöfer / Sylvie Jonekei) Rechnen und Mathematik vom Sprachwechsel auszunehmen. Auch in bilingualen Schulen soll dieses Fach in einer Sprache von Anfang bis zu Ende unterrichtet werden und nicht epochal abwechseln.

Es gibt Zweisprachige, die zu der Kategorie „Produktive Mehrsprachige“ gehören, sie sprechen in beiden Sprachen fließend. Die „Rezeptiven Mehrsprachigen“ aber drücken sich vielleicht nur in einer Sprache aus. Das bedeutet nicht, dass sie die andere Sprache nicht können. Sie sprechen und antworten nicht, aber oft handeln sie nach dem Gesprochenen, und dadurch zeigen sie, dass sie verstehen. Diese Gruppe braucht besonders das Lob. Die Eltern sollten auch wenn sie keine Resonanz bekommen, weiter in der Sprache sprechen: Es ist nicht wichtig, was die Kinder mit 4 Jahren in beiden Sprachen äußern. Es hat Zeit. Manche bringen eben angenehme Überraschungen später.

Die Verweigerung zu sprechen bzw. zu agieren ist ein reales Problem. Eine Sprache als minderwertig zu halten kann zur Sprachverweigerung führen (Konformismus). Der Sozialstatus überträgt sich auf das Prestige der Sprache. Es gibt unter anderem auch emotionale Gründe durch ein gestörtes Verhältnis zu einem Partner. Konfliktstoff in bikulturellen Ehen drückt sich oft in interkulturellen Spannungen aus und führt oft zur Sprachverweigerung bei den Kindern. Auch die Einstellung der Familie gegenüber dem Umfeld kann zur Sprachverweigerung führen. Bedingtheiten: Prestige, Einstellung der Umwelt, Freundschaften, Reisen, Lebenssituationen und Zugänglichkeiten von Bücher, Kassetten, TV…

Die Verweigerung kann eine Frage von Kompetenz und Performanz (d. h. von Können und Ausführen) sein. Man kennt das Phänomen, dass man etwas sagen will, es „liegt auf der Zunge“ und kommt nicht raus.

Was tun bei Ablehnung bzw. Verweigerung? Das soll nicht als Zurückweisung aufgenommen werden. Die Kinder orientieren sich an einer Norm. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört auch sich von Eltern abzugrenzen. Die Mechanismen zur Förderung des eigenen seelischen Haushaltes bei den Kindern sind variabel und eigen. Nicht aufgeben. Wir sind alle in einem kontinuierlichen Veränderungsprozess. Manchmal reicht es die Ferien allein mit Gleichaltrigen zu verbringen um eine Gewohnheit zu unterbrechen.

Sprachmischungen:

Die Sprachen im Kontakt miteinander beeinflussen sich gegenseitig. Dabei entstehen oft Sprachmischungen und Interferenzen. Nirgendwo gibt es aber einen Nachweis von pathologischen Erscheinungen. Bei Sprachmischungen von Bilingualen tauchen folgende Techniken beim Sprechen auf: das Einfügen einzelner Elemente, das Umschalten auf die andere Sprache zwischen zwei Sätzen und mitten im Satz. Es gibt Wissenschaftler, die das gut finden und meinen, dass „nur die Zweisprachigen, die beide Sprachen sehr gut beherrschen, den Mut haben zu solch wagemutigen Konstruktionen“(Prof. Poplack), während andere wie Prof. Weinreich das Gegenteil meinen: „Der beste Zweisprachige wechselt nicht“. Mischungen werden normalerweise in einer einsprachigen Gesellschaft als Fehler, als Reparatur angesehen. Bilinguale leihen sich Wörter oder richten die Sprachwechsel nach den Personen, nach Themen oder Situationen. Manchmal findet der Code-Wechsel aus Bequemlichkeit statt… aus Genauigkeit… manchmal als Stilmittel, manchmal unbewusst. „Unter zwei konkurrierenden Prinzipien ( Partnerprinzip und Ökonomieprinzip) setzt sich die Ausdrucksökonomie besser durch(Bernd Kielhöfer/Sylvie Jonekei, „Zweisprachige Kindererziehung“)

Sprachmischungen sind zu beheben durch konsequente funktionale Sprachtrennung der Eltern. Sprachmischungen sollen nicht zur Mischsprache werden. (Semilingualität = Halbsprachigkeit). Migranten haben oft zwei Schwachsprachen mit fatalen Konsequenzen für die Schulentwicklung und den Lebenslauf.

Obwohl die Fähigkeit, zwei Sprachen zu mischen die Ausdrucksmöglichkeiten und den Stil bereichern kann, wird die Sprachmischung von der Gesellschaft oft als Fehler oder Wissenslücke gewertet, vor allem in der Schule.

Interferenz:

Interferenz ist üblich in der Rede des Zweisprachigen. Der Zweisprachige greift „spontan in Sprachnot“ auf Strukturmuster der anderen Sprache zurück, um Lücken zu füllen. Faktoren von Interferenz sind: Konzentrationsmangel, Müdigkeit, Stress, Vorbilder… Beispiel: Sou 4 anos anstatt tenho 4 anos. P“haspiriert“-p/b, a/e, fh/v/w. Die deutsche Syntaxordnung anstatt der portugiesischen Subjekt +Dativ Objekt.+ Akkusativ Objekt. Hier findet „Überlagerung der unterschiedlichen Regeln beider Sprachen“ statt. (Leist, Anja,1996 ) Z. B.: „ich gebe Birnen der Mutter“ anstatt: „ich gebe der Mutter Birnen.“

Bei Sprachkontakt und Interferenz, „findet der Kontakt nicht in Sprachspeicher statt, sondern in eine Folge von Abrufstrategien. Der Kontakt würde dann auf dem Weg von Sprachspeicher zur Sprachrealisoerung stattfinden.(Kielhöfer).

Wer von Geburt an mit einer zweiten oder dritten Sprache aufwächst, hat auch die Grammatik mit internalisiert. Die Eltern sollten sich dessen bewusst werden und gleich von Anfang an bei der gewählten Sprache bleiben. Druck im Umgang beim Sprechen ist wie Sand in Getriebe.

Bilanz:

Hauptmerkmale zur Prognostizierbarkeit von Erfolg oder Misserfolg in der bilingualen Erziehung sind die ethnische Identität und das Sprachprestige. Wenn man die kulturelle Identität in der Familie positiv bewertet, trägt das wesentlich zum Gelingen der Zweisprachigkeit bei.

Sprachprestige kommt von draußen, d. h. von der Gesellschaft und wirkt auf die Einstellung von Eltern und Kindern und interagiert besonders mit der ethnischen Identität und dem Selbstbewusstsein. Das Gelingen von Bilingualität hängt wesentlich von der Einstellung zur Bilingualität ab. Auch die positive oder negative Einstellung der Eltern und Erzieher bezüglich Sprachentwicklung bestimmt über Erfolg oder Misserfolg ihrer Spracherziehung. Erziehungsmethoden, Persönlichkeitsmerkmale der Eltern und ihr Bewusstsein sowie das emotionale Verhältnis zum Kind sind bestimmend für die bilinguale Erziehung und ihr Ergebnis. Bilingualität ermöglicht den Erwerb der beiden Sprachen ohne Mühe. Oft tauchen Probleme bei perfektionistischen Ansprüchen bezüglich des Erlernens der Schwachsprache auf. Auf keinen Fall soll der Erwerb der Zweitsprache auf Kosten der ersten geschehen. Tolerierung von Interferenzen und Sprachmischungen schaffen eine bessere Atmosphäre beim Erwerb der Sprache. Je stärker die beiden Sprachen sind, desto besser für die kognitiven Fähigkeiten der Bilingualen. Es ist noch nicht klar untersucht worden, welchen Anteil die Sprache am Wahrnehmungs- und Denkprozess hat und wie stark unsere Welt- und Wirklichkeitsanschauung durch die Mutersprache bestimmt wird. Es gibt konträre Auffassungen: – Die Idealistisch-romantisch Sprachauffassung (mit Namen wie Herder und Humboldt, Weisberger, Trier…) vertritt eine Enhheitssprachenideologie. Sie spricht von Orientierungslosigkeit und von fehlender Verbindlichkeit bei Bilingualen.

Die rationalistische Sprachauffassung (Descartes, Leibnitz, Chomsky…). Für sie bildet die Sprache nicht die Welt ab, sondern sie denkt und vermittelt sie in „geistigen Zwischenwelten“(Weisgerber). Das Weltbild der Muttersprache fixiert demnach Wirklichkeitsbilder und prägt unsere Wahrnehmung und unser Denken. Mutersprache lernen heißt immer auch deren Weltbild und Kulturnormen zu übernehmen, was für sie Schizophrenie bedeutet. Ein Beispiel dagegen: beim Lernen des Begriffs Brot, Pain, pão gibt es keine Desorientierung, aber verschiedene Erfahrungen mit der Realität Brot in den drei Ländern, was nicht zur Doppelzüngigkeit führt. „Im Gegenteil, eine solche Erfahrung emanzipiert von der Sprache, sie vermittelt die wichtige Einsicht, dass Wörter und Dinge der Wirklichkeit nicht identisch sind“. Zweisprachige lernen früher die Relativität der Wörter. Dadurch werden sie bikulturell. Es gibt nicht das Weltbild der Muttersprach,e sondern konkurrierende Weltbilder. Auch andere nicht sprachliche Kategorien bestimmen unsere Wirklichkeit und Kultur. Die Sprache wird als Instrument des Denkens und des Wahrnehmens gesehen. Zweisprachige verfügen über 2 Instrumente und a priori nicht über 2 Weltanschauungen, 2 Identitäten und 2 Denkweisen, wie Bernd Kielhöfer / Sylvie Jonekei fesselt. Wir sind nicht in der Sprache „eingesperrt“, weil wir über die Sprache sprechen können. Bestimmte Dinge können in bestimmten Sprachen nicht gesagt werden, eben weil die Dinge hier nicht existieren. Zweisprachige haben den Zugang zur Bikulturallität.

Kindergarten:

Es gibt viele Modelle von Kindergärten und viele Schulen, die sich um die Umsetzung von pädagogischen Konzepten kümmern, die die Bilingualität berücksichtigen. Im Kindergarten wird dem Kind die Chance gegeben, neue Eindrücke auf Deutsch auf der Reise der Weltentdeckung zu bekommen. Neue Anregungen, neue Strukturen, neue Begriffe, neue Aktivitäten, neue Menschen prägen sich ein. Die Kinder wollen dann oft nur die Umgebungssprache sprechen. Die Herkunftssprache ruht dann, aber wird erweitert durch das systematische Lernen der anderen Umgebungssprache. Als Kompensation ist eine Reise in das Herkunftsland der Eltern, bzw. der Schwachsprache fällig.

Es gibt Kindergärten, die die Kinder in Sprachgruppen unterteilen. Die Kinder sprechen in der Gruppe aber Deutsch mit der Möglichkeit, ihre Erstsprache zu verwenden. In diesem Fall soll die Subgruppe nicht zu groß sein und keine Cliquenbildung ermöglichen. Dabei taucht das Problem der Isolation einzelner Kinder auf. Wichtig sind die Aktivitäten der Gesamtgruppe in deutscher Sprache. Auflösungen von Cliquen sollen spätestens in den Aktivitäten der Gesamtgruppe erfolgen.

Bei der pädagogischen Umsetzung gibt es Kindergärten, die 13 Stunden Französisch / 13 Stunden Deutsch in der Woche praktizieren. Damit die Kinder die Sprache in verschiedenen Situationen “erleben”, gibt es 2 Lehrer zur klaren Identifizierung der beiden Sprachen.

Unterricht – Wo und Wann?

Der Unterricht findet normalerweise statt als Fremdsprachenunterricht und muttersprachlicher Unterricht.

Als Fremdsprachen werden in Deutschland normalerweise Englisch, Französisch, Latein, manchmal Russisch gelehrt. In den höheren Klassen begegnen wir auch Spanisch, Italienisch, Türkisch und Neugriechisch. In der vertikalen kurrikularen Organisation der Schule nach Fächern wird immer mehr ein sprachenübergreifender Unterricht verlangt, der wegkommen soll von der Zielsprachendidaktik hin zur Didaktik der Mehrsprachigkeit. Stichwörter: Europäische Dimension und das Spracherwerbstheoretische Argument der Unteilbarkeit des Sprachenlernens in der Kognition des Individuums (Erziehung zur Mehrsprachigkeit: integriert die vorhandenen Sprachen und Wissensbestände in der Schule). Das setzt eine interkulturelle Pädagogik voraus, die ressourcenorientiert ist. Sie sieht nicht vorrangig die Probleme, die sich durch die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Kulturen ergeben, sondern die Potentiale, die darin liegen.

Herkunftssprache / Muttersprachlicher Unterricht:

In Deutschland ist der MU kurrikular mit dem Regelunterricht abgestimmt. Es wird in 19 Sprachen unterrichtet. Normalerweise findet er am Nachmittag in einer Zentralschule statt. Kinder sprechen manchmal von einer Zusatzbelastung. Meiner Erfahrung nach, gehen sie gerne zum MU, weil sie dort auch Freundschaften schließen. Ab der 6. Klasse konnte ich weniger Begeisterung beobachten, die dann ab der 9. wieder kommt. Die meisten Kinder empfinden ihre Zweisprachigkeit als eine Bereicherung, die für Beruf und Lebensplanung neue Perspektiven eröffnet. Motivation und das Selbstbewusstsein, in der Sprache zu kommunizieren, wird gefördert durch Fehlertoleranz in einer angstfreien Atmosphäre. Europäische Richtlinien…

Fremdsprachlicher Fachunterricht nach Epochen in einigen Gymnasien: Erdkunde auf Spanisch dann wieder auf Deutsch. Andere Modelle bevorzugen durchgängig ein Fach. Die Fremdsprache wird zur Normsprache.

Samstagsschulen: Privat organisierter Unterricht: Norwegisch, Chinesisch, Russisch, Japanisch und Koreanisch.

Schulformen besonders geeignet für Bilinguale:

Das deutsche Schulsystem ist monolingual ausgerichtet. Eine migrationssensible Erziehung setzt eine interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen voraus.

Auf der Handlungsebene sind vor allem Fähigkeiten der Empathie, der Rollendistanz, der Ambiguitätstoleranz sowie besondere kommunikative Deutungs- und Aushandlungskompetenzen erforderlich. Eine solche interkulturelle Kompetenz zu erwerben, muss künftig immer mehr Anstrengung in der Aus- und Fortbildung und mehr Einbeziehung der Bilingualen erfordern (: vielfältige Sprachkenntnisse sichert schulischen und beruflichen Erfolg).

Mehrsprachige Schulen bieten viele Vorteile. Problem: Längere Schulwege.

Ähnliche Schulbezeichnungen verbergen unterschiedliche Inhalte.

1. Internationale Schulen (International School): Ermöglichen Abschlusse, die weltweit anerkannt sind (für Diplomaten…die von Land zu Land ziehen). Sehr gute pädagogische Angebote und viele Sprachen. Sind aber sehr teuer.

2. Europäische Schulen (www.eurs.org.): Für die Kinder von EU-Behördenangestellten (Für sie sind sie kostenfrei). Alle Kinder werden vom Kindergartenalter an zusammen unterrichtet. Hier erlangen die Schüler das Europa-Abitur. Die Zweitsprache ist Französisch, Englisch und Deutsch. Später kommen noch 2 Sprachen dazu. (in Karlsruhe, München und Frankfurt/M.)

3. Europaschulen und Schulversuche an staatlichen Schulen:

In Zusammenarbeit mit Konsulaten und oft auch mit Vereinen wird in staatlichen Schulen ein Klassenzug bilingual ausgerichtet: deutsch-portugiesisch; D-Sp, D-T; D-I.

Dabei gibt es in der Regel 2 Klassenlehrer: einer deutschsprachig und der andere portugiesisch… Die Klassenzusammensetzung und die Zweisprachigkeit des Unterrichts ermöglichen einen interkulturellen Dialog und das von einander lernen.

In Berlin werden diese Schulen (17) „Staatliche Europaschule Berlin“ genant. In diesem Konzept werden zwei Partnersprachen als Arbeitssprachen genutzt, wo der Unterricht nach dem Modell der Immersion, d. h. dem Eintauchen in die Sprache und Kultur (Zydatiß 1997) stattfindet. Durch 2 verschiedensprachige Lerngruppen in der Klasse geschieht ein gegenseitiges Eintauchen in die Partnersprache. Diese Modelle sind besonders geeignet für die bildungsnäheren Schichten.

Nicht alle Europaschulen sind zweisprachig, aber wenigstens setzen sie sich besonders ein für interkulturelles Lernen. Vgl.: www.dipf.de/dipf/bildungsinformation_iud_eudok_schul_list.htm.

Informationen bei Schulämter, Konsulate und Botschaften.

Über Unterricht, Schulen, usw. auf deutsch, Englisch und Französisch unter: www.bildungsserwer.de

Schulen mit bilingualem Angebot: http://lernen.bildung.hessen.de/bilingual/schul-verveise/schulen

In NRW gibt es 140 Schulen mit bilingualen Klassen, in denen die Fremdsprache als Arbeitssprache in anderen Fächern und Lernbereichen eingesetzt wird.

Es gibt Kritik an den Versuchen, Mehrsprachigkeitskonzepte vertikal und additiv allein von einzelnen Schulfremdsprachen her zu denken. Für die Kritiker wird die Realität der Mehrsprachigkeit nicht wahrgenommen, weil nur bi-nationale und bi-kulturelle Paradigmen des Lernens unterstützt werden. Grosjean hat 1989 die Fachwelt aufmerksam gemacht auf ein neues Verständnis von Mehrsprachigkeit. Bis seiner Arbeit von 1989 wurde Bilingualität nicht als etwas Eigenständiges wahrgenommen. Es wird die Forderung gestellt, Bilinguale nicht als zwei Monolinguale in einer Person mißzuverstehen. Bis jetzt wurde aber noch kein ausgereiftes diagnostisches Verfahren vorgelegt, das Bilingualität in seiner Eigenständigkeit erfasst und nicht auf den Vergleich mit Monolingualität reduziert.

Interkulturelles Lernen ist kein bloßes Schlagwort, sondern ein integraler Bestandteil der Bildung und nicht zuletzt eine Forderung Europas.

In der EU gibt es für die Schulen das „Europäische Portfolio der Sprachen“, das Lernschritte in allen Sprachen dokumentiert und die Entwicklung von Mehrsprachigkeit belegt.

Fazit:

Ab 1960 wurde gezeigt, dass Zweisprachige intelligenter sind als Einsprachige (Lambert 1962, Balkan 1970 und SAUNDERS, George. „Bilingual children: From birth to teens“ 1988). Zweisprachige lernen besser Sprachen und sollen toleranter, offener, flexibler, anpassungsfähiger und intelligenter sein als Einsprachige. Sie sind optimale Dolmetscher mit automatischer Umschaltung. Ihre Übersetzungen sind situationsangemessen und idiomatisch treffend; selten übersetzen sie wortwörtlich. Kinder mit zweisprachiger Erziehung nach der Grundschule können allgemein bessere Schulergebnisse erzielen; sie sind bessere Leser, weil sie sich beim Lesen mehr auf den Sinn als auf den Klang konzentrieren, sie erlernen leichter weitere Fremdsprachen, sind kulturell interessiert und offen für Begegnungen die Toleranz fördern, sie entwickeln früh die Fähigkeit zur Abstraktion, sind intellektuell wendig und entwickeln viele verschiedene Lernstrategien.

Kinder werden später kein Verständnis haben, dass wir ihnen eine Sprache vorenthalten haben. Mehrsprachige Erziehung bedeutet Mühe für Eltern und andere Angehörige, aber auch große Freude und angenehme Überraschungen. Fangen wir frühzeitig damit an. Es ist wichtig, das latente sprachliche Potential spielerisch zu fördern.

Bilinguale haben ein Zuhause und dieses ist die Welt. Sie haben eine erweiterte Ausgangssituation und eine emanzipatorische Erfahrung.

Hier möchte ich an den Anfang anknüpfen: Wir brauchen eine neue Welt! Sie sind von den „unerwünschten Nebeneffekten“ der postindustriellen Modernisierung überdurchschnittlich stark betroffen. Wir hoffen mit unserem bilingualen Beitrag zur Gesellschaft und zur Welt mehr „pragmatische Idealisten“ zu fördern. Bilinguale bringen Voraussetzungen wie Interkulturalität, Toleranz, Festigkeit und Flexibilität (etwa Entscheidungsfreude, Fehlerfreundlichkeit, Beziehungs- und Kontaktfähigkeit). Unsere Aufgabe als Eltern, Erzieher und Politiker ist es, präventiv zu handeln, so dass sie nicht Lebensbewältigungsmuster entwickeln, die jenseits gesellschaftlicher Integrationsnormen liegen können. Heute spürt man, dass viel der heutige Jugend schon außerhalb leben. “ Die Folge davon ist, dass sie äußerst gegenwartsorientiert leben – also keinen langen Atem haben, dass sie Maßnahmen unregelmäßig besuchen, diese unerwartet abbrechen, übermäßig konsumieren, sich verschulden oder gar delinquent werden, ein hohes Bedürfnis nach Selbstdarstellung und nach Anerkennung haben. Aber: Gerade „mit diesen Bewältigungsmustern (sind sie) auf der Suche nach einem normalen Leben in Gesellschaftlichvorgegebenen Jugendbildern.“ (Marx, 2002, 33).

Bildung und Bewusstmachung sind die geeigneten Mittel um die Bildungschance von der sozialen Herkunft zu entkoppeln.


Ich wollte gern beenden mit den Hinweis auf ein neues und aperspektivisches Weltbild in der Freiheit und Einheit des Erkennens, des Fühlens, des Wollens und des Schaffens.

Vielen Dank für das Zuhören und mitmachen.

© António da Cunha Duarte Justo

In Enzyklopädie des Lebens

4.11.06

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Publicado por

António da Cunha Duarte Justo

Actividades jornalísticas em foque: análise social, ética, política e religiosa

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